Nach zwei Jahren Zwangspause war es dieses Jahr wieder soweit: Endlich konnten wir uns in großer Runde wiedersehen und den Platz in einer gemeinsamen Aufbauwoche für unsere Gäste herausputzen. Wir hatten uns sehr darauf gefreut und auch den Besucher:innen konnte man anmerken, dass sie das Freakquenz in den Jahren 2020 und 2021 vermisst hatten. Das zeigten glückliche und gelöste Gesichter überall, umfassende Herzlichkeit und viele schöne Rückmeldungen, die uns erreichten.
Im Jahr 2020 hätte eigentlich das zehnjährige Jubiläum des Freakquenz-Festivals stattfinden sollen. Aus allgegenwärtigen Gründen haben wir damals stattdessen das erste (und wahrscheinlich einzige) #digitalfreakquenz veranstaltet und das „richtige“ Jubiläumsfestival erst jetzt nachgeholt. Klar, dass wir darum etwas Besonderes bieten und neue Elemente einbringen wollten; neben frischen Licht- und Klanginstallationen auf dem Gelände waren das vor allem zwei neue, ungewöhnliche Konzert-Orte. So haben wir die Lichtung unterhalb des Verwalterhauses, die sich für das Freakquenz immer in den „Zauberwald“ verwandelt, als Bühne erschlossen:
Dort trat Freitagnacht das Duo „Walthorn“ mit sphärischen Elektroklängen auf. Der Zauberwald erwies sich dabei als wirklich magische, intime Location. Ganz anders aber nicht minder eindrücklich war das Konzert auf der improvisierten Bühne vorm Kaffeebus: Ursprünglich waren die „Kings of Cringe“ als Duo und unplugged für das Lagerfeuerkonzert Samstagnacht gebucht, hatten dann aber doch andere Pläne – und wir waren gegen ihre Überredungskünste machtlos. Das Ergebnis: Statt entspannter Songs um das (aus brandschutzgründen ohnehin nicht vorhandene) Lagerfeuer, war um Mitternacht unter dem Kaffeebusvordach, vom ekstatischen Publikum nur eine Armeslänge entfernt, eine vierköpfige, vollverstärkte Band mit Schlagzeug zu sehen und vor allem zu hören. Wir haben getanzt, geschwitzt und den Aufwand keine Sekunde bereut.
Ebenfalls eine Neuerung war das bereits vom #digitalfreakquenz bekannte und euphorisch gefeierte Moderations-Duo Hans Treppeneimer und Theo Retiker. Charmant und sehr spontan haben die beiden durch das Programm geführt und zur rechten Zeit mehr oder weniger festliche Worte gefunden, die dem Festival einen würdigen Rahmen verliehen.
Auch auf den „klassischen“ Freakquenzbühnen waren wieder phantastische Bands und Künstler:innen zu sehen: Eröffnet wurde am Freitag von den „Little Secrets“, die mit Secret Rock sofort die Tanzbeine wachspielten. „Lui Hill“ entführten uns mit Neo Soul durch die blaue Stunde in die Nacht hinein, wo uns dann die Ravepunks von „Strobocop“ ein Blitzlichtgewitter um die Ohren schredderten, wie wir es gern haben. Wir kleckern nicht, wir klotzen: Die neue Bühnentechnik, die 2021 im Rahmen des Waldecker Liedersommers mit Förderung durch „Neustart Kultur“ angeschafft worden war und die neben großartigem Klang auch spektakuläre Lichteffekte ermöglicht, kam hier voll zur Geltung. Nach dem Bühnenprogramm ging es wie gewohnt im Säulenhaus mit der Tschunk-Disko weiter. Dort heizten „Effiksmusic“, „DJ Kampfstern“ und „rnzr“ der partywütigen Meute ein.
Wer am Samstagmittag schon ausgeschlafen und das Konzert-Outfit angezogen hatte, konnte sich auf der Terrasse auch dieses Jahr wieder von „Nefarnia“ und ihrem Harfenspiel in den Tag hineinzaubern lassen. Nachmittags öffnete dann an der Druschba-Hütte das Café Oriental seine Pforten und verwöhnte uns nicht nur mit Kaffee und Kuchen: Liedermacherin Miriam Hanika, die einige von euch als Preisträgerin beim Peter-Rohland-Singewettstreit erlebt haben, spielte dort ihre Stück für ein andächtig lauschendes Publikum, das sich auf den Platz vor der Hütte drängte. Ihre Bühne übernahm anschließend die Indie-Folk-Combo „Luna and the Fathers“: Luna, die bereits beim Liedersommer 2021 mit ihrer Band aufgetreten war und die wir im letzten Herbst als WaldeckKulturStipendiatin begrüßen durfte, bot ihre berührenden Songs diesmal im Duett mit Nina Henke dar. Im Anschluss ging es rüber zu den Salamanderhütten, wo die Bühne schon bereit war für das Quartett „La Poche à Trou“ und seine mitreißenden Chansons.
Nach einer kurzen Pause bespielte eine Theatertruppe aus dem Kulturbunker Köln-Mülheim das Bühnenhaus. Das Stück „Gegen den Virus 2.0“ verarbeitete die Zeit des ersten Corona-Lockdown. Das musikalische Programm auf der Hauptbühne eröffnete der in Berlin lebende Chansonier Antoine Villoutreix mit französischen und deutschsprachigen Liedern. Dann war es aber endgültig vorbei mit Besinnlichkeit und zarten Saitenklängen: Das Schlagzeug-und-Gitarre-Duo „Treptow“ ließ die Bühne fast bersten vor Energie, „Pornophonique“ fügten dem Rock noch ein paar verspielte Bits hinzu und „The Unfuzzbarn“ legten zuletzt mit derbem Stoner Rock alles in Schutt und Asche.
In diesem Jahr kam zu Theater und Musik auch erstmals Bildende Kunst und Literatur ins Programm: Am Nurdachhaus führten Samstagabend nach Einbruch der Dunkelheit der Comic-Künstler El Jaro gemeinsam mit Tom Voyage eine Comic-Live-Show seiner „Kinky Comix“ vor.
Drumherum gab es wie immer viel zu entdecken und erleben: So bot El Jaro neben seiner Lesung auch einen Comic-Workshop an, bei dem die Teilnehmer:innen eigene Zeichnungen anfertigten. Am Nurdachhaus war eine Kino-Zeitreise installiert, im Schwarzlicht-Atelier malten Gäste mit Schwarzlichtfarbe Bilder und Dekoration für den Zauberwald, ein Science-Fiction-Live-Experiment war auf Mitmacher:innen angewiesen und es war ab Einbruch der Dunkelheit möglich, sich im Lichtgraffiti zu versuchen. Natürlich war auch das Konsolen-Café wieder eine zentrale Anlaufstelle. In Zusammenarbeit mit unseren Freunden vom Verein „Awesome Retro“ aus Utrecht, die einen Kleintransporter voll Daddelkram aus den Niederlanden mitbrachten, ist hier wieder ein gemütliches Retro-Gaming-Paradies entstanden. Und natürlich durfte auch das Tetris-Turnier nicht fehlen!
Die regnerischen Wetterprognosen bewahrheiteten sich nicht, das Wochenende blieb sonnig. In früheren Jahren war so etwas ein Grund zur Freude und wir müssen gestehen: Freakquenz bei Regen macht keinen Spaß. Aber der Klimawandel ist spürbar, auch auf der Waldeck, wo die Wiesen und Bäume nach wochenlanger Trockenheit braun geworden waren. Ein merkwürdiges Gefühl, vor dieser mahnenden Kulisse ein Fest zu veranstalten… Das Freakquenz ist zwar ein sehr kleines Festival und hat im Vergleich zu anderen Veranstaltungen einen niedrigen Energieverbrauch. Trotzdem hat uns beschäftigt, wie wir uns hier verhalten sollen und so haben wir entschieden, unsere Gäste um Spenden für den Klimaschutz zu bitten. Zusammen kamen 114,27 Euro für die Organisation „Atmosfair“ zur Förderung von Projekten für saubere und effiziente Energieversorgung in infrastrukturschwachen Regionen des globalen Südens.
Die Besuchszahlen waren zwar nicht ganz so hoch, wie wir gehofft hatten, angesichts der aktuell extrem schwierigen Situation in der Veranstaltungsbranche können wir aber zufrieden sein: Etwa 450 Menschen feierten dieses zehnte Freakquenz-Festival gemeinsam und wir haben uns über alte Bekannte aus unserem Stammpublikum genauso sehr gefreut wie über begeisterte Erstbesucher:innen, die unbedingt wiederkommen möchten. Wir kommen also finanziell wohl gerade über die Runden. Und was die Atmosphäre, die Musik und die künstlerischen Beiträge betrifft, würden wir in aller Bescheidenheit sagen: Das war ein voller Erfolg!
Möglich gemacht haben das natürlich auch das Burgteam und unsere Helfer:innen, bei denen wir uns noch einmal herzlich bedanken wollen. Wir hoffen, euch hat die gemeinsame Arbeit genauso viel Spaß gemacht wie uns. Die finanzielle Unterstützung, die wir vom Kultursommer Rheinland-Pfalz, der Kreissparkasse Rhein-Hunsrück und der Verbandsgemeinde Kastellaun bekommen, wird von privaten Spender:innen regelmäßig um eine große Summe aufgestockt. Für diese wichtige Unterstützung wollen wir uns ebenfalls herzlich bedanken! Besonderer Dank gilt auch der Dorweiler Feuerwehr, die den Parkplatz für uns regelte und uns damit einen großen Dienst erwies.
Wir gehen also euphorisiert aus dem Freakquenz 2022 heraus und wollen unbedingt weitermachen. Allerdings brauchen wir Unterstützung, vor allem für den Auf- und Abbau. Wenn ihr also im nächsten Jahr früher kommen oder länger bleiben möchtet – sprecht uns an oder schreibt eine Mail an mitmachen@waldeck-freakquenz.de.
Viele Grüße,
das Freakquenz-Team