Die Todesnachricht kam überraschend. Ich hatte bömmes, wie Hans-Dietrich Mohr in der bündischen Szene genannt wurde, noch an seinem 80. Geburtstag 2018 als eine dynamisch und sportlich wirkende Persönlichkeit erlebt und wollte deshalb die Todesnachricht zuerst gar nicht glauben. Ich kannte ihn von der Waldeck und vom Maulbronner Kreis her als ein Urgestein der bündischen Szene, der jedoch auch für neue Strömungen offen war. Er hatte sich seit seinem Auftritt mit den Pontocs beim legendären ersten Waldeck-Festival 1964 zu einem Solosänger und Gitarristen weiterentwickelt, der das poetische Chanson liebte. Gerühmt wurde seine angenehme Stimme und sein filigranes Gitarrenspiel. Bekannt wurde er durch seine Interpretation von Balladen. Sein Repertoire führte von Bert Brecht zurück zu Ludwig Uhland und hatte einen Schwerpunkt bei dem schwedischen Songpoeten Carl Michael Bellmann. Ein Höhepunkt seines Vortrags war die Interpretation der Uhlandballade „Graf Eberstein“ mit ihrer ironischen Wendung am Ende. Kaum weniger hinreißend waren seine Interpretationen der Balladen „Herr Aage wie er reiten kann“ von Moriz Hartmann oder „Ich bin der Page von Hochburgund“ von Börries von Münchhausen.
Weniger bekannt war, dass Hans-Dietrich Mohr in seinem „Brotberuf“ ein erfolgreicher Unternehmer war, der 1973 die Leitung der traditionsreichen Firma Bever & Klophaus in Schwelm übernommen hatte, die Schlösser herstellte. Sie war ein Familienunternehmen, das er in der 6. Generation weiterführte und modernisierte. Er verjüngte die Belegschaft und erweiterte sie durch die Übernahme von zwei Firmen aus Heiligenhaus, einem Nachbarort. Die Anzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhöhte sich dadurch von 50 auf 70. 2016 zog er in Schwelm in ein neues, modernes Firmengebäude um, das er nach eigenen Plänen für 3,1 Millionen Euro gebaut hatte. Hans-Dietrich Mohr verstand sich als ein gesellschaftlich engagierter Unternehmer. Er unterstützte neue kulturelle und soziale Initiativen am Ort wie die Kulturfabrik Ibach-Haus oder das Hilfsprojekt „Flüchtlingsdorf Ruhrgebiet Schwelm“ im Nordirak. Für seine Verdienste als Unternehmer erhielt er 2004 das Bundesverdienstkreuz. Durch seinen Bezug zur Liedermacherszene gelang es ihm, bekannte Künstler wie Hannes Wader oder JOANA nach Schwelm einzuladen. Er selbst führte eine Doppelexistenz als Unternehmer und als Liedermacher. Er hat eine Reihe von CDs mit eigenen Liedern hinterlassen, u.a. „Zaubergärten“, erschienen 2004 bei Conträr Musik.
Eckard Holler 22.03.2020